// 09.02.2021

1911 bis 1920

Zehn Jahre später.

Jubiläum
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1911, schon zehn Jahre nach Beginn der Stromlieferung in Oberhausen, steht das noch junge Elektrizitätswerk vor einer echten technischen Herausforderung: Die Übernahme des Stromnetzes der mittlerweile eingemeindeten Teile von Dümpten und Styrum, bis dato noch zu Mülheim gehörig, scheitert, da es sich bei den Netzten um Drehstromnetze handelt. Das Oberhausener E-Werk produziert hingegen nur Gleichstrom, sodass die Stromlieferung der neu hinzugekommenen Stadtteile Oberhausens notwendigerweise bei RWE verbleiben müssen.

Die Entscheidung zwischen Gleichstrom und Wechselstrom ist historisch bedingt und geht auf die beiden Elektrotechnik-Pioniere Thomas Alva Edison und Georg Westinghouse, beziehungsweise auf seinen Chefentwickler Nikola Tesla zurück. Während Edison nach der Erfindung der ersten brauchbaren Glühlampe um 1880 komplett auf Gleichstrom setzte, erkannte Tesla die Vorteile der Wechselstromtechnik, aus der später die Drehstromtechnik abgeleitet wurde.

Dieser Konflikt, quasi ein frühzeitiger Systemkrieg, wie er in der Wirtschaftsgeschichte später noch öfters vorkommen sollte, wird das E-Werk noch lange Zeit begleiten. Hatte man sich bei seiner Inbetriebnahme doch wegen der bereits vorhandenen Straßenbahn ebenfalls für Gleichstrom entschieden, so wird nun die mangelnde Zukunftsfähigkeit dieser Entscheidung absehbar. – Wir werden das Ganze weiterverfolgen...

Ice, Ice, Baby?

Über das Eiswerk und andere Kuriositäten.

1912 kommt es auf dem Werksgelände unseres jetzigen HKW 1 zu einer echten Kuriosität. Was uns heute enorm seltsam erscheint: Das „Städtische Eiswerk“ nimmt damals seinen Betrieb auf! Täglich werden hier 600 Zentner Eis produziert und verschickt. In Zeiten, in denen ein Kühlschrank eben noch keine Selbstverständlichkeit ist, eigentlich gar keine schlechte Idee.

Generell läuft es gut. Nicht nur, dass mit dem Eiswerk ein neuer Wirtschaftszweig erschlossen wird, auch in der Stromproduktion tut sich Einiges; die veralteten Dampfmaschinen werden durch moderne Dampfturbinen unterstützt. Nach der Inbetriebnahme der ersten GHH-Dampfturbine mit zwei angeschlossenen Gleichstromgeneratoren von je 500 Kilowatt wird die Auslastung der Gesamtanlage stetig besser. 1913 verzeichnet das E-Werk einen Anstieg von ganzen 26 Prozent im Bereich der elektrischen Wohnungsbeleuchtung. Dass es gut läuft, ist auch dem Geschäftsbericht des Jahres 1913 zu entnehmen. Man ist von sich und der Stromlieferung überzeugt, denn selbstbewusst heißt es:

...[Es bricht sich] die Erkenntnis immer mehr Bahn […], daß [!] das elektrische Licht keine Luxusbeleuchtung ist, sondern sich bei den hier geltenden niedrigen Strompreisen in Verbindung mit den stromsparenden Metallfadenlampen für mittlere und kleine Wohnungen billiger als jede andere Beleuchtungsart stellt und in seinen Annehmlichkeiten diesen weit vorzuziehen ist.

100 Jahre öffentliche Stromversorgung in Oberhausen, S. 18 // Geschäftsbericht des Jahres 1913

Zur Erhaltung der Versorgungssicherheit und zur Steigerung der weiteren Produktion wird die Anschaffung einer zweiten Dampfturbine mit nun 2 x 1.000-kW-Generatoren genehmigt. Nach dem Bau eines weiteren Rückkühlturms für die neue Turbine, wird auch die Maschinenhausverlängerung mit der heute noch erhaltenen Backsteinfassade fertiggestellt. Die Zeichen stehen auf Fortschritt.

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Düstere Kriegsjahre

1914 machen sich die Auswirkungen des beginnenden Ersten Weltkriegs jedoch auch im prosperierenden Elektrizitätswerk bemerkbar. Von jetzt an wird es eine ganze Zeit lang bergab gehen, vorbei sind die fetten Anfangsjahre. Im Zuge des Krieges werden zwar 300 Privatwohnungen kurzfristig an das Stromnetz angeschlossen, dies ist jedoch in erster Linie eine Folge des immer knapper werdenden Petroleums. Die Stadt spürt zudem die fortschreitende Nahrungsmittelverknappung. Um dem entgegenzuwirken und einen Beitrag zur Ernährung der Stadt zu leisten, wird 1915 im Eiswerk eine Fleischgefrieranlage errichtet, um so die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger der Stadt mit Lebensmitteln zu unterstützen. 1916 kommt eine Dörranlage hinzu, in der im ersten Jahr 21,7 Tonnen (!) Dörrgemüse und über 3,5 Tonnen Marmelade hergestellt werden. Im Winter des Jahres, der als „Steckrübenwinter“ in die Geschichte eingeht, leidet die Bevölkerung trotz aller Bemühungen zu großen Teilen Hunger. Außerdem herrscht große Wohnungsnot. Da die Inflation langsam zur Buche schlägt, steigen in allen Lebensbereichen die Preise.

1917 kommt es zum ersten Mal seit Bestehen des Elektrizitätswerkes zu einem Rückgang in der Stromproduktion, eine deutliche Folge des Krieges. Um die Energieversorgung aufrecht zu erhalten, werden 1917 erstmalig 14 „Hülfsarbeiterinnen“ beschäftigt, um die ausfallende Arbeitskraft der zum Kriegsdienst eingezogenen Männer zu ersetzen. Ein großes Problem bei der Stromgewinnung stellt die zusehends abnehmende Qualität der gelieferten Kohlen dar, wodurch der Unterhaltungsaufwand des E-Werks arg ansteigt. Letztlich wird dies die Maschinen stark beschädigen.

1918, noch mitten im Krieg, werden die bislang unter dem Namen „Städtischen Betriebe“ bekannten Werke in „Städtische Werke“ umgetauft. Wirtschaftlich sieht es finster aus für die neuen Werke: Dass alles immer teurer wird, trifft auch sie hart. Zum Jahreswechsel steigert sich der Kohlenmangel ins Unermessliche. Er hängt zusammen mit Streiks der Bergarbeiter für mehr Lohn, bessere Lebensmittelzuteilungen, Kleidung und Seife, für die man in der harten Zeit aufrichtiges Verständnis entgegenbringen kann. Gleichzeitig steigt der Stromverbrauch stark an: In den privaten Haushalten leuchten knapp 2.000 Glühlampen mehr als noch im Vorjahr. Langsam reicht die Energieversorgung nicht mehr aus.

Kriegsende

Ende 1918 ist der Erste Weltkrieg zu Ende. Die Welt, Deutschland und Oberhausen atmen auf. Überall kehren die Soldaten zurück, die den Krieg mehr oder minder unversehrt überstanden haben. 1919 müssen auch im E-Werk die Kriegsrückkehrer wieder in den Betrieb eingegliedert werden. Schwere Entscheidungen werden dazu getroffen: Um die als Soldaten eingesetzten Betriebsangehörigen wieder in Brot und Lohn zu bekommen, muss Mitarbeitern, die während des Kriegs aushalfen, teilweise gekündigt werden.

Trotz steigender Inflation erhöht sich der Stromverbrauch weiterhin – allein in Alt-Oberhausen um ganze 20 Prozent. Das Leitungsnetz umfasst mittlerweile 230 Kilometer. Folge der gesteigerten Nachfrage nach Strom sind mehr und mehr Versorgungsengpässe, die teils drastische Entschlüsse nach sich ziehen. Um die Versorgung der Bevölkerung mit Strom weitestgehend aufrecht zu erhalten, entscheidet man, die Straßenbahn im April an neun Tagen und im Mai an zwei Tagen stillzulegen. Die Qualität der zur Stromerzeugung verwendeten Kohlen sinkt weiter und weiter, was den Anlagen zunehmend schadet. Um die benötigten Reparaturen zu finanzieren, nimmt die Stadt für das E-Werk einen Kredit von sage und schreibe 1,4 Millionen Mark auf.

Das neue Jahrzehnt beginnt wie es endet, mit Versorgungsschwierigkeiten und der Verteuerung in allen Bereichen des Lebens. Wir werden sehen, ob es für das noch junge Elektrizitätswerk „goldene 20er“ werden.

Unsere Informationen sind entnommen aus: Energieversorgung Oberhausen AG (EVO) (Hg.), 2001: "100 Jahre öffentliche Stromversorgung in Oberhausen",  Oberhausen.

Autor:
Sina Sitzmann s.sitzmann@evo-energie.de 0208-835-2960