// 05.01.2021

1901 bis 1910

Die Anfänge der Stromversorgung in Oberhausen

Jubiläum
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120 Jahre sind eine unglaubliche Zeitspanne. Genau dort, vor 120 langen Jahren, liegen die frühesten Wurzeln der evo, in einer Zeit, in der die Welt und unsere Stadt noch ganz anders waren und aus heutiger Sicht sogar fremd erscheinen. Was wir heute für selbstverständlich halten, die Nutzung elektrischen Stroms in allen Lebensbereichen, war damals noch eine Rarität. Ob Deckenlicht, Kühlschrank, Waschmaschine, Computer oder selbst Auto – alles funktioniert heute mit Strom und der kommt für uns eben wie selbstverständlich aus der Steckdose.

Wie sich die Stromversorgung in Oberhausen entwickelt hat, welche Meilensteine und auch Kuriositäten auf diesem 120 Jahre langen Weg liegen, das lesen Sie in unserer historischen Blogreihe. Jeden Monat unseres Jubiläumsjahres widmen wir uns rund zehn Jahren unserer evo-Geschichte, bis wir schließlich in der Gegenwart ankommen und vielleicht sogar einen gemeinsamen Blick in die Zukunft wagen…

Die Weichen für die Stromversorgung unserer Stadt wurden bereits zur Jahrhundertwende gestellt. Die Stadt Oberhausen erreicht damals die Bitte der zu dieser Zeit noch königlichen Eisenbahnverwaltung, den Bahnhof Oberhausen im Herzen unserer Stadt mit Elektrizität zu beliefern, um ihn wiederum elektrisch beleuchten zu können. Der Anfrage wird zugestimmt und die elektrische Versorgung zunächst für zehn Jahre festgesetzt.

Die Beleuchtung des Bahnhofs weckt bei der Stadt zudem die Idee, künftig auch die Stadtbevölkerung mit Strom zu beliefern.

Zunächst gilt es hier, einige kleinere und größere Hindernisse zu überwinden: Neben technischen Herausforderungen gibt es auch menschliche Widerstände und Zweifel an der modernen Technik, die erst einmal ausgeräumt werden müssen. Ebenso die fehlende Finanzkraft der Stadt könnte dem Vorhaben zum Verhängnis werden. Als eine der größten Befürchtungen wird jedoch die aufkommende Konkurrenz für das bereits bestehende Leuchtgasnetz betrachtet.

1899 wird schließlich der Grundstein für das „Staedtische Electrizitaetswerk“ gelegt, es soll neben der Kraftzentrale der städtischen Straßenbahn auf dem Gelände der ehemaligen Zechenstraße 31 entstehen – genau dort, wo sich heute das Heizkraftwerk 1 der evo am Standort Danziger Straße befindet. 906.000 Mark, eine enorme Summe für diese Zeit, investiert die Stadt in den Bau.

Neben 500 Volt für die Gleichstromversorgung der Straßenbahn sollen zukünftig über ein Gleichstrom-Dreileiter-System auch 220 Volt für die Beleuchtung des Bahnhofs bereitgestellt werden. Schon in der Planungsphase zeichnet sich ab, dass die geplante Kapazität nicht ausreichen wird, um den Anfangsbedarf zu decken. Die Stadtverordneten-Versammlung beschließt im Februar 1900 statt der vorgesehenen 400 Kilowatt Dynamomaschine zwei Dynamogeneratoren von je 500 Kilowatt zu beschaffen. Der Antrieb soll dann über zwei liegende Tandem-Compount-Dampfmaschinen der Vereinigten Maschinenfabriken Augsburg und Nürnberg (MAN) erfolgen. Ein Unternehmen, mit dem die evo bis heute erfolgreich zusammenarbeitet.

Damit steht die „Uranlage“. Zwei unterirdische Kabel führen über die Zechen- und die Schwartzstraße, um die Versorgung des Hauptbahnhofs zu gewährleisten. Die Versorgungskabel liegen 70 Zentimeter unter den Bürgersteigen und werden mit Steinen geschützt. Auf unbefestigten Wegen bedeckt sie eine Lehm- und Erdschicht.

Am Bahnhof gehen die Lichter an

Am 1. Januar 1901 ist es dann tatsächlich so weit. Am Bahnhof in der Stadtmitte gehen die Lichter an. Übergangsweise erfolgt die Stromversorgung des Bahnhofs noch durch eine „Dynamomaschine“, die wiederum von einer gemieteten Lokomobile angetrieben wird.

Am 1. Mai 1901 beginnt das „Staedtische Electricitaetswerk" mit der eigentlichen Versorgung des Bahnhofs und nimmt gleichzeitig auch die Lieferung von Strom an private Haushalte auf. Es ist die Geburtsstunde der öffentlichen Stromversorgung in Oberhausen.

Da die Kosten für die elektrische Beleuchtung anfangs noch höher liegen als für Gas- oder Petroleumlampen, geht der Ausbau der Netze zunächst jedoch eher langsam voran. Aller Anfang ist schwer. Nicht zuletzt der Schutz des Gaswerks und seiner Wirtschaftlichkeit wirken sich entsprechend negativ aus. Im ersten Jahr werden nur 109 private Hausanschlüsse verlegt, von denen gerade einmal 84 aktiv durch Privatpersonen genutzt werden. Übrigens: Heute gehen wir von über 103.000 privaten und kleingewerblich genutzten Verbrauchsstellen aus, die die evo versorgt.

Diejenigen Kunden, die bereits 1901 durch das E-Werk versorgt werden, zeigen sich jedoch sehr zufrieden. Das mag auch daran liegen, dass sie anfangs noch defekte Glühbirnen kostenlos eintauschen können und dafür gratis Ersatz erhalten. Ein toller Service, der jedoch sechs Jahre später, 1907 also, wiedereingestellt wird. Immerhin leuchten bis Jahresende etwa 1.365 Glühlampen in Oberhausens Haushalten!

Andere Dimensionen

Der Stromabsatz des E-Werks mit einer Gesamtleistung von 1.300 kW beträgt 1901 sage und schreibe knapp eine Million Kilowattstunden. Damit könnten heute gerademal 285 Haushalte versorgt werden – ziehen wir einen durchschnittlichen Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden exemplarisch heran. Das Heizkraftwerk 1, der Ur-Ur-Ur-Enkel des ehemaligen Electrizitaetswerkes sozusagen, hat heute eine Gesamtleistung von 24.000 Kilowatt und könnte während der Heizperiode, neben Fernwärme, bis zu 85 Millionen Kilowattstunden an Elektrizität bereitstellen.

Auf der anderen Seite werden damals zur Erzeugung von einer Kilowattstunde Strom auch noch über zwei Kilogramm Kohle benötigt! Zum Vergleich: 100 Jahre später braucht man dazu nur noch etwa 300 Gramm. Heute wird in Oberhausen ausschließlich umweltfreundliches Erdgas oder Holzhackschnitzel als nachwachsender Rohstoff verwendet.

Der Absatz unseres Werkes beträgt damals jährlich um die 37.000 Mark – damals eine beträchtliche Summe. Das Netz umfasst 41 Kilometer, die äußerste Verbrauchsstelle liegt dabei gerade einmal 1.165 Meter vom Kraftwerk entfernt.

Was war sonst so los in den ersten zehn Jahren?

Bereits 1904 steht das noch junge E-Werk vor seiner ersten großen Herausforderung: Die Kohle wird knapp, da die Bergarbeiter im Pott für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen auf die Straße gehen und ihre Arbeit niederlegen. Die Gewinne des Kraftwerks reduzieren sich durch die Streiks auf rund 7.000 Mark. Auch entstehen durch Bodensenkungen in Folge des Bergbaubetriebs technische Probleme beim Akkumulatorenbetrieb des Kraftwerks.

Schon 1905 kommt es zu einer ersten Umbenennung: Durch die Zusammenführung der Straßenbahn, des Gas- und des Elektrizitätswerkes entstehen die „Städtischen Betriebe“. Weiterhin steht fest: Die Versorgung des Hauptbahnhofs mit Strom durch die neubenannten Betriebe wird um weitere fünf Jahre verlängert. Toll für die Stromkunden: Der Preis einer Kilowattstunde wird von vormals 25 Pfennig auf zehn Pfennig gesenkt. Das waren damals noch Zeiten, aber für diese frühen Verhältnisse trotzdem eine Menge Geld.

1907 liegt die am weitesten entfernte Verbrauchsstelle immerhin schon ganze drei Kilometer weit vom Kraftwerk entfernt! Immer mehr Privathaushalte steigen bei der Beleuchtung ihres Zuhauses auf die Beleuchtung mit Glühbirnen um. Dominierte 1901 noch das Modell mit Kohlefädchen nach Thomas Edison, setzen die Kunden nun verstärkt auf Leuchtmittel mit Metallfaden, da sie sich als sparsamer herausstellen. Was erstaunt: Trotz der allgemein eher schlechten wirtschaftlichen Lage ist das Interesse an Strom in den 1910er Jahren sehr groß.

Du nimm mein und ich nehm‘ dein oder: Bahnhof wechsle dich

Ein immenser Meilenstein für die Städtischen Betriebe ist der Anschluss der Babcock-Werke an das städtische Stromnetz. Es scheitert allerdings die Versorgung der Bahnhöfe Oberhausen-West und Frintrop, der Zuschlag geht an RWE. Nach Ablauf der Verträge mit den Städtischen Betrieben, soll auch die Versorgung des Hauptbahnhofs und des Bahnhofs Sterkrade in die Hände von RWE fallen.

Dafür übernehmen die Städtischen Betriebe 1909 die Versorgung der Bahnhöfe Mülheim-Ruhr, Eppinghofen und Styrum. Da das Ganze langsam unübersichtlich wird und man buchstäblich nur noch Bahnhof versteht, wird 1910 entschieden, die Versorgungsgebiete mit RWE aus logistischen Gründen zu tauschen.

Es sei bereits verraten: Berührungspunkte mit RWE werden die Städtischen Betriebe über ihre Geschichte hinweg noch häufig begleiten. Mehr dazu und was das Elektrizitätswerk mit Eis zu tun hatte, lesen Sie in unseren folgenden Blogartikeln. Also: Bleiben Sie dran!

Unsere Informationen sind entnommen aus: Energieversorgung Oberhausen AG (EVO) (Hg.), 2001: "100 Jahre öffentliche Stromversorgung in Oberhausen",  Oberhausen.

Autor:
Sina Sitzmann s.sitzmann@evo-energie.de 0208-835 2960