// 13.04.2021

1931 bis 1940

Der Beginn düsterer Jahre

Jubiläum
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Mit dem vierten Beitrag unserer historischen Blogreihe treten wir ein in lange, dunkle Jahre. Es handelt sich um eine Zeit, über die man eigentlich nicht nachdenken mag, über die lange nicht gesprochen werden konnte, über die die Menschen nicht sprechen wollten oder auch nicht durften. Doch umso wichtiger ist die Auseinandersetzung mit den düsteren Kapiteln unserer Geschichte, mit den Schrecken und Schatten unserer Vergangenheit, die wir auch bei der evo nicht leugnen wollen.

Nach den Freuden der „goldenen Zwanziger“ werden auch die Städtischen Werke hart getroffen von der am 25. Oktober 1929 mit dem schwarzen Freitag beginnende Weltwirtschaftskrise. Der Jahreswechsel läutet auch hier, was nicht verwundert, den Beginn eines dunklen Jahrzehnts ein. 1930 beginnt dieses mit sinkenden Stromabsätzen von über vier Prozent. Eine Folge der Verluste: 31 der insgesamt 641 Mitarbeiter müssen entlassen werden.

Die schwierige Lage der Städtischen Werke spiegeln die Gesamtsituation nicht nur der Stadt, sondern des gesamten Landes wieder: Wohnungsmangel, Arbeitslosigkeit und auch die Selbstmordrate erreichen in unserer schönen Stadt Höchstwerte. Als würde die Stadt es ahnen, dass furchtbare Zeiten bevorstehen, beginnt das neue Jahrzehnt düster und kalt. In Deutschland ist die NSDAP bereits auf dem Vormarsch

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Herbe Verluste

Es ist kein Aprilscherz, als am 1. April 1931 aufgrund eines Schiedsspruches die Stromversorgung des Bahnhofs an die RWE abgetreten werden muss. Damit verliert das Elektrizitätswerk Oberhausen seinen ältesten und ersten Kunden. Erfreulicherweise wird dieser Ausfall durch den Anschluss der Kali-Chemie nicht nur wieder wettgemacht, sondern um ein Mehrfaches ausgeglichen.

Trotzdem schmerzt der Verlust der eigenen Wurzeln. Der allgemeine wirtschaftliche Rückgang im Land führt erneut zu einer Absatzminderung von weiteren vier Prozent. Die wirtschaftliche Not bewirkt auch, dass die Umstellung des veralteten Leitungsnetzes von Gleichstrom auf Drehstrom kaum voranschreitet. Am Ende des Jahres beträgt die Gesamtlänge des Oberhausener Stromnetzes 77 Kilometer, 3.313 Häuser beziehen Strom.

Was soll man beschönigen? Auch ein Jahr später, 1932, sieht es in unserer Stadt trostlos aus. Arbeitslosigkeit und finanzielle Nöte steigen weiter und weiter, bis ins Unermessliche. Auch bei den Städtischen Werken müssen erneut Arbeitsplätze abgebaut werden; die Belegschaft verringert sich auf 558 Mitglieder. Um Stadt und Bevölkerung unter die Arme zu greifen, senken die Städtischen Werke ihre Preise. Zudem gibt es Vorzugspreise für einkommensschwache Stromkunden. Ein Licht in der Dunkelheit.

Der Nationalsozialismus erhält Einzug

Die Macht der Nationalsozialisten ist 1933 in Oberhausen bereits enorm groß, ihr Einfluss immens. Ein Dorn im Auge des nationalsozialistischen Regimes ist auch Direktor Klinkhardt der Städtischen Werke. Von seinem Posten systematisch verdrängt und letztlich rausgeworfen, nimmt sein Schicksal einen tragischen Verlauf. Klinkhardt nimmt sich das Leben.

Durch immer mehr Machtgewinn erreichen die Nationalsozialisten, dass weitere 97 der insgesamt 558 Mitarbeiter aus politischen und religiösen Gründen entlassen werden. Wer sich als Nazi-Gegner offenbart, dem wird gekündigt oder Schlimmeres. Einige der entlassenen Mitarbeiter werden verhaftet oder in Konzentrationslager verschleppt.

Was erstaunt: Trotz der reduzierten Belegschaft und der schwierigen Lage kommt es insgesamt kaum zu Störungen im Betrieb des E-Werks. Ganz im Gegenteil: Nach Überwindung der allgemeinen Wirtschaftskrise zieht der Strombedarf wieder mehr und mehr an. Auch der bei den Babcockwerken in Betrieb genommene Elektro-Stahlofen trägt dazu bei. Für den Betrieb des neuen Ofens müssen jedoch zuvor zwei neue Hochspannungskabel von je 3x120 Quadratmillimeter Querschnitt verlegt werden.

Die vorhandenen Erzeugerleistungen werden nun voll in Anspruch genommen, Reserven für einen weiteren Netzausbau damit aufgebraucht, sodass sich die Notwendigkeit ergibt, die Stromerzeugungsanlagen zu erweitern. Durch Beschluss der Stadtverordneten-Versammlung vom 30. Juni 1933 werden die Mittel zur Beschaffung eines von der Betriebsleitung vorgeschlagenen Drehstrom-Turbo-Aggregates für eine Leistung von 5.000 Kilowatt bewilligt.

Die Lieferung erfolgt durch die G.H.H. Oberhausen. Gleichzeitig wird der RWE Reserveanschluss über 1.000 Kilowatt aufgegeben, um künftig vor allem auf die eigene Produktion zu setzen. Auch das Hochspannungs-Schalthaus wird entsprechend erweitert und ausgebaut. Die über RWE erfolgte hochspannungsseitige Stromlieferung für die Stadtteile Styrum und Dümpten übernimmt nach Ablauf des Vertrages, am 1. Oktober 1933, nun ebenfalls das Elektrizitätswerk Oberhausen.

Schutz vor dem Krieg

1934 beginnen erste Vorbereitungsmaßnahmen auf den bevorstehenden Krieg. Mittel für den so bezeichneten „Werksluftschutz“ werden bereitgestellt. Wirtschaftlich erholen sich die Städtischen Werke immer weiter: Der Strombedarf steigt weiterhin an und gegen Ende des Jahres kann sogar die neue Turbine erfolgreich in Betrieb genommen werden. Durch die höhere Effizienz kann der Kohlenverbrauch zur Stromerzeugung von vormals 0,77 Kilogramm für eine Kilowattstunde auf 0,68 Kilogramm verringert werden.

Nach Erprobung der 1934 eingeführten Luftschutzmaßnahmen weist der Geschäftsbericht von 1935 diese als „erfolgreich“ und „zweckmäßig“ aus. Gleiches gilt für eine erste große Verdunklungsübung im Stadtgebiet. So sollen feindliche Luftangriffe in den Nachtstunden erschwert werden. Erhofft wird sich, dass durch die flächendeckende Dunkelheit zentrale Ziele unerkannt bleiben und so verfehlt werden. Dunkelheit herrscht, wo eigentlich Licht erschaffen werden soll…

1936 verabschieden sich die Städtischen Betriebe von ihrem Eiswerk, das den Betrieb einstellt. Stolz erwecken vor allem die Werksmitarbeiter Theodor Pertz und Albrecht Pfeiffer, die für Deutschland an den Olympischen Spielen in Berlin teilnehmen. Belegschaftsmitglied Willy Jürissen spielt in der Fußballnationalmannschaft, Hans Raff und Fritz Schaumburg sind Teil der deutschen Leichtathletikauswahl. Insgesamt ist es ein recht gutes Jahr. Die Städtischen Werke beliefern mittlerweile 4.675 Hausanschlüsse mit Strom.

"Kraft durch Freude“ – Propaganda und Kriegstreiberei

Nur zwei Jahre später, 1938, läuft die Propagandamaschinerie in Deutschland und auch in Oberhausen auf Hochtouren. Eine Folge: Alle „Gefolgschaftsmitglieder“, wie man die Arbeiter des E-Werks nun auch nennt, müssen an Veranstaltungen der KdF, einer Unterorganisation der Deutschen Arbeitsfront teilnehmen. Das Ziel: Eine geeinte Volks- und Leistungsgemeinschaft in ganz Deutschland. Zitat aus dem Geschäftsbericht von 1938:

Die in weltanschaulicher und fachlicher Hinsicht notwendige Weiterbildung unserer Gefolgschaftsmitglieder förderten wir durch Erweiterung der Leihbücherei, Übernahme der Kosten für die Teilnahme an Vorlesungen, Vorträgen, Luftschutzlehrgängen und dergleichen.

siehe: 100 Jahre öffentliche Stromversorgung in Oberhausen, S. 44

Ein Meilenstein der evo-Geschichte: Die Städtischen Betriebe werden umbenannt in „Stadtwerke Oberhausen“. Durch die weitere Zunahme der Stromerzeugung, die Schwelle von 20 Millionen Kilowattstunden ist bereits überschritten, wird die Dampferzeugungsanlagen voll beansprucht, ohne die neue Turbine voll auslasten zu können. Aus Gründen der Verfügbarkeit sieht sich die Betriebsleitung deshalb veranlasst, ein neues Kesselhaus zu errichten.

Trotz Facharbeitermangel und Problemen, die bei der Materialbeschaffung auftreten, gelingt die Installation des neuen Babcock-Dampfkessels ohne den Betrieb der vorhandenen Anlagen unterbrechen zu müssen. Mit einer Stundenleistung von 32 Tonnen Dampf bei 350 °C Dampftemperatur kann nun das Kraftwerk mit einer Gesamtleistung von 11.500 Kilowatt betrieben werden.

Neben der Verlegung der Wassereinigungs- und Entgasungsanlage muss auch die vorhandenen Kühlflächen des Kühlwassersystems den erhöhten Maschinenleistungen angepasst werden. Abhilfe verschafft letztlich ein neuer Kaminkühler nach dem System Demag, mit einer Kühlwassermenge von zusätzlich 2.250 Kubikmeter in der Stunde. Durch diese Maßnahmen steigt die Stromerzeugung auf rund 31 Millionen Kilowattstunden an.

Kriegsausbruch

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1939 sinkt der Stromverbrauch der Stadtwerke unmittelbar um 0,57 Prozent, da die Straßenbeleuchtung eingestellt wird und umfassende Verdunklungsmaßnahmen angeordnet werden. Da viele Mitarbeiter der Stadtwerke in den Krieg eingezogen werden, werden händeringend Ersatzkräfte für die einberufenen Soldaten gesucht. Um die Stromversorgung aufrecht zu erhalten, muss sich das E-Werk wieder über das Hochspannungsnetz des RWE an die staatlich verordnete Verbundwirtschaft anschließen. Der gewünschte Effekt: Auch bei lokalen Ausfällen wir die Stromversorgung aufrechterhalten.

1940 sind wieder Reparaturen am Kraftwerk notwendig, aber kaum möglich. Großer Materialmangel setzt dem einen Riegel vor. Gezwungenermaßen werden die erforderlichen Arbeiten auf das Kriegsende verschoben.

Mit Jahresende 1940 endet ein dunkles Jahrzehnt. Und dunkel wird es zunächst weitergehen.

Unsere Informationen sind entnommen aus: Energieversorgung Oberhausen AG (EVO) (Hg.), 2001: "100 Jahre öffentliche Stromversorgung in Oberhausen", Oberhausen.

Autor:
Sina Sitzmann s.sitzmann@evo-energie.de 0208-835 2960