// 08.06.2021

1951 bis 1960

Ein erstes großes Jubiläum

Jubiläum
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Mit den 50er Jahren steigen wir für die Energieversorgung in Oberhausen in ein besonderes Jahrzehnt ein. Denn bereits früh zu Beginn der 50er Jahre, 1951 nämlich, feiert das Elektrizitätswerk ein erstes wirklich großes Jubiläum: Seinen 50. Geburtstag!

So viel ist bis hierhin geschehen. Zwei Weltkriege hat das Werk überlebt, Besatzung und Hungersnöte hat die Belegschaft überstanden, die Weltwirtschaftskrise ausgesessen, Kohlenmangel hingenommen und dabei nie aufgegeben – selbst wenn die Maschinen zwischenzeitlich stillstanden.

Gute Jahre

Was war so los 1951, im ersten großen Jubiläumsjahr? Auf jeden Fall viel, denn zur Versorgung der Stadt müssen die Maschinen bis an ihre Kapazitätsgrenzen hochgefahren werden. Die Energieerzeugung beträgt damals immerhin schon 44 Millionen Kilowattstunden, weitere 15 Millionen werden zusätzlich vom RWE hinzugekauft, um so die flächendeckende Versorgung der Stadt zu gewährleisten. Gleichzeitig sinkt der Wirkungsgrad der Energieerzeugung Anfang der 50er Jahre leicht ab – für eine erzeugte Kilowattstunde Strom werden 0,743 Kilogramm Kohlen benötigt, ein Jahr zuvor waren es noch 0,713 Kilogramm.

Was andererseits erfreut: Gleichzeitig sinkt der Wasserverbrauch pro erzeugte Kilowattstunde Strom um ganze 45 Prozent, denn die Wasseraufbereitung kann deutlich optimiert werden.

Auch 1952 noch schnaufen die Maschinen und arbeiten auf Hochtouren. Weiterhin wird bis an die Kapazitätsgrenzen produziert. Nach den dunklen Kriegs- und Nachkriegsjahren stehen die Zeichen nun auf wirtschaftlichen Aufschwung. Als eine Folge der guten Lage steigert sich auch der Stromverbrauch um ganze 10 Prozent. Gleichzeitig sinken die Netz- und Umspannverluste durch Verbesserungen und Erweiterungen am Verteilungsnetz.

Insgesamt sind es gute Jahre, es zeigt sich jedoch das die technische Entwicklung weitergegangen ist. Zur Steigerung der Effizienz hat sich bei den Dampfkraftwerken die Hochdrucktechnik durchgesetzt, mit Dampfdrücken bis 180 bar und Temperaturen über 500°C; hier kann die alte Anlage bei der Grundlast nicht mehr mithalten. Der Betrieb wird auf Grund der steigenden Stromnachfrage mehr und mehr auf die Mittel- und Spitzenlast des täglichen Lastgangs ausgerichtet.

1953 geht es weiter steil bergauf. Durch vermehrte Bautätigkeit im Stadtgebiet wächst die Zahl der Hausanschlüsse in den kommenden drei Jahren um mehr als 3.000 an! Strom ist gefragt wie nie, sodass das alte Elektrizitätswerk allein den Bedarf der Oberhausenerinnen und Oberhausener gar nicht mehr decken kann – und das, obwohl mittlerweile eine Jahreserzeugung von 51 Millionen Kilowattstunden erreicht wird! Zur Unterstützung muss bereits auf ausländische Importkohle zurückgegriffen werden. Dieser Kniff wird außerdem nötig, da Bergarbeiterstreiks im Ruhrgebiet allmählich häufiger werden und die Kohlenförderung so zeitweise stillsteht. Weiterhin werden zur Gewährleistung der Stromversorgung zusätzliche 11 Millionen Kilowattstunden Strom vom RWE eingekauft.

Angeregt durch die weltweit beachtete „Atoms for Peace“-Rede des amerikanischen Präsidenten Dwight D. Eisenhower auf der UN-Vollversammlung 1953, beginnt ein neuer Wettlauf um die friedliche Nutzung der Kernenergie. Ein Thema was auch die Entwicklung der Städtischen Werke noch nachhaltig beeinflussen wird.

Bereits am 26. Juni 1954 ist es soweit, das Versuchskernkraftwerk Obninsk in der damaligen Sowjetunion produziert mit einer Nettoleistung von 5.000 Kilowatt den ersten elektrischen Strom aus Kernenergie. Das erste kommerzielle Kernkraftwerk im britischen Calder Hall, speist bereits ab August 1956 mit einer Leistung von 50.000 Kilowatt (50 Megawatt) ins öffentliche Stromnetz: Da Atomzeitalter hat begonnen.

Aufbruch in eine neue Ära

In Oberhausen jedoch denkt man über einen anderen Weg der Energieversorgung für die Zukunft nach. Zwei Optionen kristallisieren sich deutlich heraus: Zum einen wird ernsthaft ein Ausstieg aus der Eigenproduktion in Erwägung gezogen. Dies würde mit einem 100prozentigen Anschluss an die RWE-Versorgung einhergehen. Zum anderen wird nach einer finanzierbaren Alternative gesucht, um die Eigenerzeugung aufrecht zu erhalten und die immer häufiger auftretenden Engpässe zu umgehen. Ein Fernheizkraftwerk, das gleichzeitig Strom als auch Wärme erzeugt, scheint die Lösung und wird sich letztlich durchsetzen. Die Eigenerzeugung in Form von Kraft-Wärme-Kopplung, wie man die parallele Erzeugung von Strom und Wärme auch bezeichnet, macht schließlich das Rennen.

Nach eingehenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen wird mit der Planung eines Heizkraftwerkes mit Heißluftturbine und Kohlestaubfeuerung noch im laufenden Jahr 1956 begonnen. Ein Aufbruch in eine neue Ära, die städtischen Werke in Oberhausen betreten völliges Neuland, denn nirgendwo sonst ist eine derartige Anlage mit einer geschlossenen Gasturbine in der Leistungsklasse zwischen 12,5 und 13,75 Megawatt in Betrieb. Für dieses anspruchsvolle Projekt konnte jedoch mit der GHH Sterkrade AG, der heutigen MAN, ein verlässlicher Partner gefunden werden.

Ab 1957 beginnen die Bauarbeiten für das neue Heizkraftwerk Oberhausen und auch die Bestandsanlagen werden für ihre zukünftige Aufgabe ertüchtigt. Um finanzielle Förderungen zu erhalten, wird dem neuen Bundesministerium für Atomfragen vorgeschlagen, die betriebsfähige Turbine nach eingehendem Probebetrieb und Überführung in den betriebssicheren Leistungsbetrieb, zu einem späteren Zeitpunkt auf Stickstoff anstelle von Heißluft umzustellen.

Die Wärmeerzeugung soll dann als „Versuchsanlage“ über einen gasgekühlten Hochtemperaturreaktor erfolgen, wie er in den USA von der American-Turbine-Corp. bereits in Planung ist. Aus heutiger Sicht natürlich undenkbar, im beginnenden Atomzeitalter aber durchaus „en vogue“.

Den Verantwortlichen geht es jedoch nachweislich nur um zusätzliche Fördergelder, um damit die hohen Anschaffungskosten für die aufwändige Turbinenerrichtung zu reduzieren; die spätere Installation eines entsprechenden Reaktors ist in Oberhausen jedenfalls nicht geplant. Dennoch ist das Thema in den Medien und Karnevalisten der Alten-Oberhausener Karnevalsgesellschaft entwerfen einen passenden Mottowagen mit der Aufschrift: „(Direktor) Dyhr‘s Atomkraftwerk – Heissluft en gros“, der im Straßenkarneval für einiges Aufsehen sorgt.

Parallel zu der ganzen Geschichte gibt es jedoch auch andere wichtige Themen: Als gemeinsamer Beschluss von Geschäftsführung und Betriebsrat wird für die Belegschaft ein Ferienwerk errichtet. Die günstigen Angebote werden mit wachsender Begeisterung in Anspruch genommen. Bereits ein Jahr später wird eine weitere erfreuliche Neuerung für die Belegschaft verabschiedet: Was uns heute viel erscheint ist damals ein echtes Novum; wie in der Metall- und Textilindustrie wird auch für die Mitarbeitenden des Elektrizitätswerks die 45 Stunden-Woche eingeführt!

Ende des Jahres fällt die Bilanz sehr positiv aus: Erstmals wird die 100-Millionen-Kilowattstunden-Marke beim Stromabsatz überschritten; knapp die Hälfte der Energie stammt dabei aus eigener Produktion. Was besonders erstaunt: Während des regulär laufenden Betriebs des alten Kraftwerks, erfolgt die Errichtung zusätzlicher Gebäude für die neue Heißluftturbinenanlage. Auch der markante schwerbau mit dem von weitem sichtbaren 100m Kamin wird fertiggestellt.

Zum Jahresende 1958 können auch die ersten fünf Kilometer des neuen Fernwärmenetzes in Betrieb genommen werden. Ganze 25 Häuser sind bereits angeschlossen und können über Wärmetauscher von den vorhandenen Dampfkesseln mit Wärme versorgt werden. Die vielfältigen Arbeiten und ein zeitweiliger Maschinenschaden führen verständlicherweise dazu, dass die eigene Produktion 1959 um 5,3 Prozent sinkt.

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Das Ende einer anderen Ära

Gegen Mitte des Jahres 1960 starten die ersten Probeläufe der kohlegefeuerten Heißluftturbine und erstmals werden Strom und Wärme im energiesparenden Koppelprozess erzeugt: Für die städtischen Werke beginnt damit eine neue Ära der leitungsgebundenen Energieversorgung in Oberhausen.

Deutschlandweit entstehen jedoch bereits erste Anzeichen für das Ende einer anderen Ära: Das Ende des Kohlezeitalters ist in weiter Ferne bereits am Horizont zu sehen. Es sollten aber noch 58 Jahre vergehen bis, genaugenommen am 21. Dezember 2018 mit Prosper-Haniel in Bottrop, die letzte Zeche des Ruhrgebiets stillgelegt wird.

Doch auf diesem langen Weg wird noch viel geschehen, der „Kampf um die Kohle und die Arbeitsplätze“ noch toben, die Bergarbeiter Widerstand leisten bis letztlich der sozialverträgliche, langsame Ausstieg aus der Kohle beschlossen wird.

Anfang der 60er Jahre entwickelt sich erstmals auch das Erdöl mehr und mehr zum Konkurrenten am Heizmarkt; die Herausforderungen für das neue Heizkraftwerk bleiben also spannend, mal sehen was das nächste Jahrzehnt den städtischen Werken so bringen wird…

 

Unsere Informationen sind entnommen aus: Energieversorgung Oberhausen AG (EVO) (Hg.), 2001: "100 Jahre öffentliche Stromversorgung in Oberhausen", Oberhausen.

Autor:
Sina Sitzmann s.sitzmann@evo-energie.de 0208-835 2960