// 13.07.2021

1961 bis 1970

Innovation und Fortschritt

Jubiläum
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Die 60er Jahre beginnen mit ersten Probeläufen der neuen Heißluftturbine, die uns von nun an eine ganze Weile begleiten wird. Während die Turbine damals weiterhin mit dem Brennstoff Steinkohle betrieben wird, zeichnet sich am Horizont jedoch bereits das Ende der Kohle-Ära ab. Streiks und Zechenschließungen nehmen im Ruhrgebiet, dem „Kohlenpott“, zu.

Anfang 1961 dann ist das neue Heizkraftwerk I – Sie kennen sicher unseren Ausdruck HKW I – dann offiziell in Betrieb. Bei 6.139 Betriebsstunden im ersten Jahr am Netz erzeugt das HKW I rund 45 Millionen Kilowattstunden Strom und versorgt zudem 219 Häuser mit Wärme. Für uns ist es die Geburtsstunde der noch heute genutzten Kraft-Wärme-Kopplung, der zeitgleichen Erzeugung von Strom und Wärme in einer Anlage. Das Fernwärmenetz ist bereits auf eine Länge von 18 Kilometer angewachsen.

Auf das Großprojekt Heizkraftwerk folgen unmittelbar Bestrebungen für ein nächstes: Die damaligen Stadtwerke Oberhausen stellen Überlegungen an, die Energie, die bei der Müllverbrennung entsteht, mithilfe eines Müllverbrennungskraftwerks zu nutzen.

Die Ära Öl

Ein Jahr später, im Jahr 1962, produziert das noch junge HKW I bereits rund 60 Millionen Kilowattstunden elektrische Energie, also 15 Millionen mehr als noch im Vorjahr! Im Zuge der beginnenden Kohlenkrise und der steigenden Bedeutung von Erdöl am Energiemarkt, werden zwei Ölkessel für Bedarfsspitzen und Ausfälle im Kraftwerk aufgestellt. Auf Grund ihrer kurzen Anfahrzeiten können die neuen Mitteldruckkessel, gegenüber den alten Kohlekesseln, vorteilhaft mit den vorhandenen Kondensationsturbinen der Altanlage zur Spitzenlasterzeugung eingesetzt werden.

Zwei kohlebetriebene Kessel aus dem Baujahr 1913 werden wiederum abgebaut und verschrottet. Insgesamt erzeugen die Stadtwerke nun wieder mehr Eigenstrom als Fremdbezüge eingespeist werden.

Auch 1963 steigt der Stromverbrauch weiter an. Gute Zeiten für die Stadtwerke. Das 5-Kilovolt-Mittelspannungsnetz gerät allmählich an seine Kapazitätsgrenzen, weshalb Arbeiten an einem neuen 10-Kilovolt-Netz beginnen. Zur weiteren Verbesserung der Werke werden 44 Kilometer Kabel verlegt.

Neue Strukturen

Gleichzeitig bahnen sich auch Veränderungen in der Verwaltung der Stadtwerke an: Der Rat der Stadt beschließt, die Werke aus der Verwaltung auszugliedern und in eine neue Form zu bringen. 1964 ist es schließlich soweit und die bisherige Struktur wird nachhaltig angepasst:

Aus dem ehemaligen Eigenbetrieb und dem Stadtamt wird am 14. Februar 1964 die STOAG – die Stadtwerke Oberhausen Aktiengesellschaft. Ihr alleiniger Aktionär ist die Stadt. Mit der Bestellung von Diplom-Ingenieur Gerhard Deuster zum technischem Vorstand und Diplom-Kaufmann Franz Schmitt zum kaufmännischem Vorstand wird eine Doppelspitze etabliert, wobei Gerhard Deuster gleichzeitig den Vorsitz übernimmt.

Eine der ersten großen Meilensteine auf dem Weg der neuen STOAG: Die Planungen für das Müllheizkraftwerk werden zu Ende geführt und der Bau beschlossen.

Stein auf Stein

Leider liegen große Hindernisse auf dem Weg zur geplanten Anlage: Im August 1965 sieht sich die STOAG gezwungen, eine Untätigkeitsklage gegen die Düsseldorfer Energiebehörde einzureichen. Die Genehmigungen zum Bau des Müllheizkraftwerks schreiten kaum voran. Zeitnah beginnen Verhandlungen der Stadt mit umliegenden Kommunen über den Bau einer Gemeinschafts-Müll-Verbrennungsanlage. GMVA – das kommt Ihnen bekannt vor, nicht wahr?

1966 verzögert sich der Bau des Müllheizkraftwerks weiter. Woran festgehalten wird, sind die Planungen für ein zweites Heizkraftwerk im Stadtteil Sterkrade – HKW II – denn die Nachfrage an Fernwärme ist enorm groß. Noch dazu würde ein weites HKW den Anteil des selbsterzeugten Stroms weiter steigern, so die Überlegungen.

Zusätzlich bemüht sich die STOAG in langen Verhandlungen mit RWE darum, die historisch gewachsenen Versorgungsgrenzen im Stadtgebiet aufzuweichen, um sich hier neu zu positionieren

Wirtschaftliche Umbrüche

1967 zeigen die Alarmglocken kurz Rot. Die neue Krisenlage der Wirtschaft sorgt dafür, dass die Wachstumsrate im Bereich Strom nur rund 3,1 beträgt – der niedrigste Wert seit dem wirtschaftlichen Aufschwung in den 50er Jahren. Wie bei vielen Problemen in der Bundesrepublik lässt sich die Ursache in der großen wirtschaftlichen Rezession mit rund einer halben Million Arbeitslosen unter Wirtschaftsminister Karl Schiller suchen. 

Die STOAG schreibt dazu:

Die krisenhaften Wirtschaftserscheinungen bewirken auch bei der Oberhausener Industrie einen empfindlichen Rückgang des Strombedarfs.

Geschäftsbericht der STOAG // aus: 100 Jahre öffentliche Stromversorgung (2001), S. 73.

Im Hintergrund werden die Verhandlungen über die Gemeinschafts-Müll-Verbrennungsanlage weitergeführt.

Fortschritt und Neuerungen

Im Zeichen der anhaltenden Kohlekrise und damit verbundenen Zechenschließungen erwirbt die STOAG 1968 das Kraftwerk des stillgelegten Bergwerks Concordia. Was die GMVA angeht, wird endlich gut, was lange währt: Die Stadt Oberhausen erhält den Zuschlag, die bestehenden Anlagen des Zechenkraftwerks nun in eine moderne Müllverbrennungsanlage umzurüsten. Die STOAG wird mit der Planung und Betriebsführung betraut.

Auch die Vorarbeiten für das neuen HKW II schreiten zügig und gut voran. Als positiv und hilfreich erweisen sich die gesammelten Erfahrungen mit der im HKW I betriebenen Heißluftturbine im sogenannten „geschlossenen Kreislauf“. Auf Initiative von Gerhardt Deuster wird das Projekt im Hinblick auf die Hochtemperaturreaktor-Entwicklung in Verbindung mit geschlossenen Gasturbinen auf Heliumbasis weiterentwickelt und zunächst in das dritte Atomprogramm des Bundesforschungsministeriums aufgenommen.

In der Planung befindet sich nunmehr eine geschlossene Gasturbine mit einer elektrischen Nettoleistung von 50 Megawatt und Helium als Arbeitsmittel. Die in dieser Anlage mit konventioneller Kokereigasfeuerung gewonnenen Betriebserfahrungen sollen später in die Entwicklung eines Hochtemperatur-Kernkraftwerks mit Heliumturbine einfließen. Gleichzeitig wird mit dem THTR-300 ein Demonstrationskraftwerk in Hamm-Uentrop auf der Basis eines Kugelhaufenreaktors geplant, um auch hier zunächst Erfahrungen im Betrieb mit einem konventionellen Dampfkraftprozess zu gewinnen.

Die Arbeiten werden dann im Rahmen des vierten Atomprogramms der Bundesrepublik Deutschland dem Forschungsprogramm „Hochtemperaturreaktor mit Heliumturbine großer Leistung“ (HHT-Projekt) des Bundesministeriums für Forschung und Technologie zugeordnet.

Insgesamt sieht es gut aus. Die Krise noch ein Jahr zuvor ist kaum noch zu spüren. Mit einem Plus von 13,5 Prozent verläuft die Geschäftsentwicklung günstig. 1969 versorgt das E-Werk die Stadt erstmalig mit 300 Millionen Kilowattstunden Energie. Rund ein Drittel davon entstammen aus eigener Erzeugung.

Auch im HKW I stehen die Zeichen wieder auf Fortschritt und Modernisierung, nicht Erdöl, sondern heimisches Kokereigas macht auch im HKW I schließlich das Rennen. Gegen Ende des Jahrzehnts wird deutlich, dass die Heizleistung der Heißluftturbine bei weitem nicht ausreicht, um mit dem stetigen Ausbau des Fernheiznetzes in Alt-Oberhausen Schritt zu halten.

Um die Versorgungsicherheit zu erhöhen wird 1969 als erstes ein 60 Tonnen Hochdruckkessel mit 60 bar Druck und einer Dampftemperatur von 500 °C errichtet. Ein Jahr später beginnt auch die Montage der Siemens Gegendruckturbine vom Typ K 800-2, mit einer elektrischen Leistung von 11 Megawatt. Darüber hinaus werden alle Feuerungsanlagen von Kohle oder Erdöl auf Kokereigas umgestellt. Die großen Kohlelagerflächen auf dem Werksgelände verschwinden.

In diesem Zusammenhang verschwinden auch zwei alte Kohlekessel an deren Stelle der neue Hochdruckkessel mit dem charakteristischen 75 Meter hohen Schornstein aufgestellt wird. Die neue Silhouette des Kraftwerks mit den beiden Kaminen, soll dann bis 1997 erhalten bleiben.  Auch das Kabelnetz wird um 29 Kilometer erweitert, 792 neue Anschlüsse werden verzeichnet. Es sind gute Zeiten.

Fast im Hier und Jetzt: Ein großer Schritt

Mit dem Jahreswechsel folgt ein großes Jahr, wir nähern uns unserem Gründungsjahr und der Geburtsstunde der evo im Jahr 1971. Denn ein Jahr zuvor, 1970, werden zwischen Stadt, STOAG und RWE bereits Vorverträge zur Gründung der Energieversorgung Oberhausen AG getroffen, kurz EVO – damals noch großgeschrieben.

Anteilseigener werden zu 50 Prozent die Stadt sein, 50 Prozent gehen an RWE. Somit wird die Zersplitterung der Stromversorgung in Oberhausen enden. Gleichzeitig steht fest, dass die EVO neben der Strom-, Gas- und Fernwärmeversorgung auch die Planung und Betriebsführung der GMVA übernehmen wird.

Die evo liegt in den Wehen…

Unsere Informationen sind entnommen aus: Energieversorgung Oberhausen AG (EVO) (Hg.), 2001: "100 Jahre öffentliche Stromversorgung in Oberhausen", Oberhausen.